Seit 2007 für den Turngau als Präsidentin aktiv: Politikerin Nicole Razavi.

Persönlichkeiten: Die Ministerin im Turngau

In der Dezemberausgabe des STB Magazins wird dieses Mal Nicole Razavi porträtiert. Die Leiterin des Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen des Landes Baden-Württemberg ist zugleich auch Präsidentin des Turngaus Staufen.

Ob sie einen Salto heute noch schafft? Nicole Razavi überlegt einen Moment und antwortet: „Ich würde es jetzt nicht mehr versuchen.“ Früher sei das aber kein Problem gewesen. Ob mit oder ohne Trampolin. Die heute in Salach im Landkreis Göppingen lebende 58-Jährige ist von Haus aus keine Turnerin, dafür eine Sport-Allrounderin. Sie probiert gerne alles aus und erfreut sich an der Bewegung. Früher hat sie Leichtathletik gemacht, Tennis gespielt und ist intensiv Ski gefahren. Letzteres macht sie übrigens immer noch leidenschaftlich gern, wenn sie mal die Zeit findet. Die ist bei der Salacherin rar gesät. Von Beruf ist sie nämlich Leiterin des Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen des Landes Baden-Württemberg. Mehr als ein full-time Job, der ihr auch körperlich einiges abverlangt.

Die fehlenden geregelten Trainingszeiten unter der Woche muss sie mit flexiblen Sporteinheiten im Alltag auffangen. Körperliche Fitness ist in ihrem Job extrem wichtig. Ein Ruder- und Radergometer zu Hause bringen die Turngau-Präsidentin häufig am Morgen entsprechend in Schwung. Zur Abwechslung geht Razavi auch gerne eine Runde Joggen. Für Termine unter der Woche zum geselligen Volleyballspielen oder anderen sozialen Treffpunkten fehlt ihr allerdings die Zeit in ihrem vollgepackten Terminkalender.

Obgleich sie diesen Umstand zwar für schade erachtet, versprüht die Abgeordnete viel Energie. Von dieser zehrt sie auch durch die Tätigkeit als Präsidentin vom Turngau Staufen. Das Amt hat sie seit 2007 inne. “Eine Ewigkeit”, wie die 58-Jährige selbst überrascht feststellt.

Der Spaß an der Bewegung

Die ehrenamtliche Tätigkeit wirkt auf Nicole Razavi aber nicht wie Ballast, sondern entfaltet genau die gegenteilige Wirkung: „Das gibt mir unheimlich viel zurück und erdet mich.” Mögliche Zweifel, ob sie die Doppelaufgabe zur eigenen Zufriedenheit noch bewerkstelligen kann, legt sie immer wieder beiseite – auch weil sie von einem starken Team im Turngau unterstützt wird und sich obendrein für eine elementare Sache einsetzt: den Spaß an der Bewegung. „Die gelernten sportlichen Bewegungen halten fürs Leben“, ist sie überzeugt. Deswegen sollten ihrer Meinung nach jungen Menschen wieder verstärkt Anreize geboten werden, sich aktiv im Alltag zu betätigen. Razavi stelle bei den Jüngeren immer öfter fehlende motorische Fähigkeiten fest. Deshalb sei es wichtig, gezieltere Angebote zu streuen. Das Turnen als Grundlage für Bewegung sieht die Salacherin dafür als fundamental an.

Razavi persönlich weiß, wovon sie spricht. Für sie geht es 1984 nach dem Abitur in Ebersbach/Fils an die Universität Tübingen, wo sie Anglistik, Politologie und Sportwissenschaft studiert. Ständig angetrieben von ihrem Sportgen. Der (Turn-)Sport in all seinen Facetten ist der Abgeordneten also bestens bekannt.

Viel angestoßen in 16 Jahren

In ihren bisherigen 16 Dienstjahren als Turngau-Präsidentin registriert sie viele neue Herausforderungen für den Sport. Zahlreiche Konkurrenzangebote bedrohen Vereine, Mitglieder haben sich verändert sowie die Bereitschaft, ehrenamtlich mitzuwirken. „Vereine müssen darüber nachdenken, wie man Ehrenamt für die Zukunft sichern kann, ohne es zu überfordern“, gibt Razavi die Marschroute vor. Viele gute Ideen und Projekte gebe es bereits, wie etwa bei ihr im Turngau, wo Vereine miteinander kooperieren. So würden Kräfte gebündelt, um sich auf das Kerngeschäft zu besinnen: Gemeinsam Sportangebote umsetzen, die Gemeinschaft dadurch stärken.

Dass die 58-Jährige keine Worthülsen verwendet, ist jede Sekunde spürbar. Sie lebt und brennt für den Sport. Nicht umsonst sagt sie über sich: „Der Sport bewegt mich das ganze Leben.“ Diese Lebensweise verdankt sie vor allem ihrem ersten Verein: dem TSV Sparwiesen. Dort stehen im wahrsten Sinne des Wortes ihre kleinen Turnschuhe. „Zündende Erfahrungen“ hat Razavi damals gesammelt und ist sich heute sicher: „Ohne den TSV Sparwiesen wäre meine Begeisterung für den Sport gar nicht so geweckt worden.“ Diese Eindrücke möchte sie weitergeben und dafür sorgen, dass die Gesellschaft in Zukunft auch beim Sporttreiben wieder stärker zusammenkommt.

Thema in der Bevölkerung angekommen

Obwohl Bewegungsstudien wie die der Kinderturnstiftung Baden-Württemberg (Fitnessbarometer 2023) zuletzt erneut Alarm schlugen, sieht die Razavi die Wichtigkeit der Bewegung durchaus in der Gesellschaft als Thema angekommen. Sie erinnere sich noch gut an die früheren Zeiten, wo die tägliche Sportstunde aufgrund von fehlendem Lehrpersonal „belächelt“ wurde.

Heute gebe es dagegen bereits viele vorangehende Beispiele, die Bewegung im Unterrichtsalltag vorleben. Etwa mit fünfminütigen Aktivpausen werden Schüler motorisch und kognitiv gefordert. Das verbessere auch die Konzentration unheimlich, erklärt Razavi. Darin sieht sie auch eine große Chance, mit Kreativität und Spontanität den Schulalltag sportlicher zu gestalten. Auf lange Sicht sei das allerdings nur mit dem nötigen konsequenten Willen möglich. Diesen fordert sie einerseits bei den Bildungseinrichtungen ein, andererseits aber auch bei den Eltern. Letztere müssten sich darüber im Klaren werden, dass Kinder von Geburt an einen natürlichen Bewegungsdrang besitzen, den sie ausleben müssen. Mit der notwendigen Unterstützung können die Erziehungsberechtigten mit ausreichenden Bewegungsangeboten über Schule und Verein der mangelnden Motorik und drohendem Übergewicht entgegensteuern.

„STB ist Dienstleister“

Den Schwäbischen Turnerbund betrachtet Razavi in diesem Zusammenhang „als wichtigen Player für Sport, Vereine und als Gesprächspartner für die Politik“. Als ehemaliges STB-Präsidiumsmitglied und noch aktives Mitglied im Hauptausschuss (Turngau-Präsidentin) sieht sie den Verband als Dienstleister für die Turngaue, die wiederum Dienstleister für ihre Vereine sind. Letzten Endes würden die Sportangebote nämlich in den Vereinen stattfinden, und die gilt es zu fordern. „Als größter Fachverband Baden-Württembergs ist der STB viel zu weit weg, um bis ins kleinste Dorf bei den Vereinen mitzuwirken“, erklärt Razavi. Deshalb ist sie auch für die Zukunft überzeugt: „Was die Turngaue und Vereine vor Ort besser können, das soll man sie auch bitte machen lassen.“

Diese klare Kante bedeute aber nicht, dass der STB keinen Einfluss auf die Turngau und Vereine nehmen soll – im Gegenteil. Der Verband solle vorangehen, neue Trends aufschnappen, die Turngaue unterstützen. Das sei aber nichts, was in ein, zwei Jahren geschieht, sondern ein stetiger Prozess, so die 58-Jährige. Als gelungenes Beispiel nennt sie das STB-Konzept „Sportverein 2030“, das zusammen mit dem Niedersächsischen Turnverband entwickelt wurde.

Diese Art von Ideen müssen permanent weitergedacht werden. Aber auch bei Satzungen und anderen eingestaubten Strukturen müsse der Verband hellwach bleiben. Allein neue Angebote zu implementieren, genüge nicht. „Die Vereine müssen ihre Identität wahren, sonst werden sie beliebig“, warnt Razavi. Deshalb werde es in Zukunft immer wichtiger, grundlegende Instrumente wie Satzungen zu überarbeiten und an die heutige Zeit anzupassen. Nur so würde es gelingen, „den Sportverein, wie wir ihn kennen, auch zukunftssicher, aber nicht abhängig von bestimmten Einrichtungen zu machen.”

Und vielleicht findet sich dann auch in Zukunft ein Sportangebot für Razavi, die sich selbst als „Extrembeispiel“ sieht und kaum Zeit für geregelte Trainingseinheiten hat. Der Sportverein der Zukunft könnte dem aber Abhilfe schaffen.

 

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